Montag, März 23, 2020

Aus-Flug

Im Flug den Berg hinab, über die Rinnen, Gleise, den ungepflasterten Nebenweg. Am Italiener, am Fleischer -in Sonntagsruhe- vorbei. Die Kälte beisst, die Russenpeitsche peitscht gegen den Oberkörper. Auf der Brücke, zwei Welten: geteilt nach links und rechts. Auf der Rückfahrt wird die Welt verkehrt sein, die bewegte Seite links, die Ruhige rechts.
Eine Gerade, die schwerer fällt; ich habe die Kälte unterschätzt. Ostwind ist oft härter als der weiche Westwind- so ist das, wenn die Russen kommen. Nach der Kurve fahre ich an einer Verteidigungslinie gegen Hundescheiße vorüber. Laminierte, multilinguale Rethorik gegen Gleichgültigkeit und den Egoismus flattert im Eishauch. Ellenbogen- Kindergarten Deutschland: Ordentlich den Arsch mit Papier abwischen- das ist hier das Maß für Lebensart im Pandemiezeitalter.
Woody Allen kann sich diese nationale Kuriosität nicht entgehen lassen. Aus "Krauts" werden gerade "Shits"; sei vorgemerkt für den nächsten Weltkrieg.
Auf der, für Durchgangsverkehr gesperrten, Straße ins Naturschutzgebiet fahren nur wenige Autos. Einige Hunde gehen aus, Kinder eiern lernbedürftig mit winzigen Fahrrädern von einer zu anderen Seite. Ich biege auf die Wiese ab; Ruhe.
Schiebe das Rad einige hundert Meter über frische Stoppeln. Ein Waldrand. Die Sonne wärmt. Ich bleibe länger stehen, auf einer nahen Lichtung schreit ein Kranich, dort stehen aber Zwei. Ich kann den Schreihals vom Stummen nicht unterscheiden; vielleicht schreien auch beide.
Über der weiten Wiese steht die Sonne, bedrohlich in ihrer Größe und Helligkeit. In spätestens zwei Monaten kann sie uns, wie in den letzten beiden Jahren, das Leben zur Hölle machen. Unablässig, unbarmherzig, brutal.
Heiß war es, von morgens bis Abends, kein Regen. Jetzt zeigt sie nur die Instrumente. Es ist Mitte März, Frühlingsanfang. Noch ist sie mild.
Die Landschaft beruhigt, ist interessant und eigentümlich. Unweit eine Insel mit geraden, dünne Stämmchen; im Kontrast zur ergrünenden Wiese und einer kahlen Linde. Die ewigen Tauben blöken von Weitem, sie stören nicht. Dann ist es still. Wind hebt an, aus dem Nichts schwebt leises Rauschen über die Wiese, ein Flüstern. Es dringt mir ins Gemüt: das "Einssein" mit dem erwachenden Frühling, ein befreiender Optimismus, der keinen Grund braucht, erfasst mich.
Es gibt keine Sorgen!
Natur ist Leben; es ist nicht nur der Wald, der heilt.